4. November – 19.30 Uhr
Dommuseum Hildesheim                                                

5. November – 20.00 Uhr
NDR Kleiner Sendesaal, Hannover

Dieses außergewöhnliche Programm bietet drei unterschiedliche Wege der Annäherung an Beethovens »Eroica« Es wird dem unkonventionellen Ansatz des Komponisten gerecht, ehrt ihn und setzt seine Musik in einen neuen politischen und zeitgenössischen Kontext. Beginnend mit »Couverture«, einem neukomponierten Werk für das Flex Ensemble des kanadischen Komponisten Gordon Williamson, welches von Beethovens Ouvertüren inspiriert ist, folgt Schönbergs »Ode an Napoleon«, ein Melodram basierend auf einem Gedicht von Lord Byron für Sprecher, Klavier und Streichquartett. Byrons Gedicht strotzt vor Sarkasmus und Kritik an Napoleons militärischen Eroberungen und verspottet ihn für seinen extremen Niedergang. Und schließlich die »Eroica« selbst, arrangiert für Klavierquartett von Beethovens gutem Freund und Schüler Ferdinand Ries. Die selten gespielte Version ermöglicht es dem Ensemble und dem Publikum gemeinsam – in einem intimen Setting – dicht an die Essenz dieser Musik heran zu kommen.

FLEX ENSEMBLE
Kana Sugimura Violine
Anna Szulc Viola  
Martha Bijlsma Cello
Johannes Nies Klavier

GÄSTE
Oliver Wille Violine
Guillermo Anzorena Bariton

BIOGRAPHIEN

PROGRAMM

Gordon Williamson
»Couverture« (2020)

Arnold Schönberg
»Ode to Napoleon Buonaparte« 
Melodram für Sprecher, Klavier und Streichquartett
op. 41 (1942)

Ludwig van Beethoven
»Sinfonie Nr. 3 (Eroica)« 
op. 55 in 
Bearbeitung für Klavierquartett von Ferdinand Ries 

I. Allegro con brio
II. Marcia Funebre. Adagio assai
III. Menuetto Scherzo. Allegro vivace – Trio
IV. Finale. Allegro molto – Poco andante – Presto

Gordon Williamson
»Encore« (2020)

WERKEINFÜHRUNGEN

»Couverture« (2020) | Gordon Williamson
»Couverture« ist eine Art modernisierte Orchesterouvertüre für Klavierquartett, die versucht, das Genre für den Hörer des 21. Jahrhunderts neu zu gestalten. Das Stück greift auf einige Materialien aus Beethovens Ouvertüren sowie auf allgemeine Verweise auf die Ouvertürenform zurück und präsentiert sie in einer zeitgenössischen musikalischen Sprache, die eher auf Klang und Klangfarbe als auf Tonhöhe und Harmonie basiert. 

»Ode to Napoleon Buonaparte« (Lord Byron) für Sprecher, Klavier und Streichquartett op. 41 (1942/43) 
Arnold Schönberg
Nach Ausschluss von der Preußischen Akademie der Künste in Berlin verließ Schönberg im Mai 1933 Nazi-Deutschland und kehrte nach einem mehrmonatigen Aufenthalt in Arcachon und Paris, wo er zum Judentum rekonvertierte, Europa für immer den Rücken; am 31. Oktober 1933 kam er mit seiner Frau Gertrud und einjährigen Tochter Nuria in New York an. Lehrtätigkeiten führten ihn zunächst nach Boston und New York sowie schließlich nach Los Angeles wo er 1936 eine Professur an der University of California at Los Angeles annahm. Das politische Engagement Schönbergs geht vor allem auf die vorletzte Emigrationsstufe seiner Biographie in Frankreich zurück, wo er 1933 seine Leitgedanken zum Judentum und zur Gründung einer jüdischen Einheitspartei umfassend formulierte (systematisch zusammengefasst im »Four-Point Program for Jewry« von 1938). In brieflichen Äußerungen hatte er sich – ausgelöst durch das sogenannte »Mattsee-Ereignis«, einem antisemitischen Pogrom im Sommer 1921, das ihn nachhaltig zu einer intensiveren Reflexion jüdischer Identität veranlasste – bereits seit den frühen 1920er Jahren mit den Auswirkungen des Antisemitismus befasst, im zionistischen Drama »Der Biblische Weg« (1926/1927) wird das Problem innerjüdischer Gespaltenheit und die angestrebte Einigungspolitik erstmals in seinem Œuvre als Hauptthema der Handlungsentwicklung ästhetisiert. Außerhalb der politischen Schriften legte Schönberg mit der »Ode to Napoleon Buonaparte« op. 41 (1942) sowie der Kantate »A Survivor from Warsaw« op. 46 (1947) zwei Kompositionen vor, die sich mit der weltpolitischen Situation der 1940er Jahre auseinandersetzen. Stellt der »Survivor« im Kern ein religiöses Bekenntnis zum Monotheismus und zur jüdischen Identität dar, handelt es sich bei der »Ode to Napoleon« um eine klare politische Stellungnahme: Die Ablehnung der Tyrannei und das Bekenntnis zur Demokratie, dessen emblematischer Name »George Washington« heißt. In einer mit »Wie ich dazu kam, Ode to Napoleon zu komponieren« (»How I came to compose the Ode to Napoleon«) betitelten englischen Einführung beschrieb Schönberg nicht nur die Entstehung des Werks, das von der League of Composers in Auftrag gegeben wurde, sondern auch dessen Orientierung an Beethovens »Eroica« und »Wellingtons Sieg«: »I know it was the moral duty of intelligencia to take a stand against tyranny. But this was only my secondary motive. I had long speculated about the more profound meaning of the nazi philosophy.« Schönbergs Schüler Leonard Stein erinnert sich, dass sich sein Lehrer in der Gestaltung der Deklamation an der Diktion der Stimme Winston Churchills orientierte, dessen Reden er im Radio gehört hatte, und stellt auch einen Konnex zwischen der Konzeption von op. 41 und dem Luftangriff auf Pearl Harbor im Dezember 1941 sowie der Kriegserklärung Roosevelts an Japan her. Der Titel der zwischen 12. März und 12. Juni 1942 entstandenen Komposition bezieht sich auf eine bereits zur Kompositionszeit historische Figur, auf Napoleon – und eben nicht auf Adolf Hitler, der in der Entstehungszeit wohl gemeint sein müsste. Schönbergs ursprüngliche Textpräferenz »The Isles of Greece« von Byron wurde schließlich zugunsten des Odentextes verworfen, den Lord Byron als unmittelbaren Reflex auf Napoleons Abdankung im April 1814 verfasste. Lord Byron wurde in den 1930er und 40er Jahren im amerikanischen Feuil­le­ton nicht nur als Bohemien und Abenteurer, sondern insbesondere auch als Freiheitskämpfer rezipiert. Schönberg war diesem populären Bild des Dichters durchaus verpflichtet. Hinter Byrons Hohn verbirgt sich jedoch die ironisch literarisierte Enttäuschung über Napoleons Abgang von der politischen Bühne – eine im Widerspruch zu Schönbergs Absichten stehende Lesung des Textes, worauf Dirk Buhrmann hingewiesen hat. Im Gegensatz zu Byrons Textvorlage liegt bei Schönberg nicht nur die Tyrannei, sondern auch die Verheißung von Demokratie und Menschenwürde in der Vergangenheit. Tyrannei und deren Niederwerfung bilden in diesem politischen Ansatz eine »ständige historische Antithese, deren Auflösung nur durch einen Rückgriff geschehen kann und daher als Utopie angesprochen werden muß« (Beat Föllmi). In der »Ode to Napoleon« manifestiert sich eine gewandelte Auffassung von der »Methode der Komposition mit zwölf nur aufeinander bezogenen Tönen«. Schönberg sah den der Methode intendierten Zweck einer Zusammenhang-stiftenden Wirkung nicht länger durch Reminiszenzen an die Tonalität gefährdet. Hinzu tritt in diesem politischen Manifest eine symbolträchtige Zitattechnik: bei der Deklamation der Worte »the earthquake voice of victory« werden motivische Rückbezüge zur »Marseillaise« und Beethovens Fünfter Symphonie miteinander kombiniert.

(Therese Muxeneder | © Arnold Schönberg Center)


Ludwig van Beethoven | »Sinfonie Nr. 3 (Eroica)« op. 55 in Bearbeitung 
von Ferdinand Ries

Als das Flex Ensemble aus Hannover das Arrangement der dritten Sinfonie Beethovens für Klavierquartett auf einem Meisterkurs kennenlernte, erzählt die Cellistin Martha Bijlsma, war es sofort elektrisiert und neugierig. Der Bearbeiter des Meisterwerkes war der Beethoven-Schüler und -Freund Ferdinand Ries. Bearbeitungen waren in jener Zeit ein durchaus gängiges Verfahren und für Ries obendrein ein einträgliches Geschäft.

1805 fand in Wien die Uraufführung der 3. Sinfonie von Ludwig van Beethoven statt. Der Komponist hatte sein Werk zuerst Napoleon Bonaparte gewidmet. Doch als dieser sich 1804 zum Kaiser krönte, war Beethovens Begeisterung verflogen.

Er zerriss das Titelblatt und widmete seine Sinfonie nunmehr dem Fürsten Franz Joseph von Leibkowitz. Die Uraufführung kam einem sinfonischen Erdbeben gleich, denn der Komponist warf praktisch alle bisherigen Traditionen dieser Gattung über Bord.

»Encore« (2020) | Gordon Williamson
»Encore« wurde speziell als Zugabe für Flex Ensemble-Aufführungen von Beethovens Eroica-Sinfonie für Klavierquartett geschrieben. Es verwendet moderne Spieltechniken und Klänge, um die Variationen des vierten Satzes des Werks zu erweitern und ermöglicht den Zuhörer:innen dadurch ein Erleben des Eroica-Themas aus heutiger Perspektive.