Performance-Konzert des Flex Ensemble und Farout Artistic Research
26.11.2022, 19.30 Uhr Rasselmania Hildesheim
27.11.2022, 15 Uhr Sprengel Museum Hannover, Calder Saal
Eintritt frei. Pay what you can.
How fast do I travel when I sit still?
Inspiriert durch die Entdeckung eines neuen, weit entfernten Objekts im Weltraum, das als 2018AG37 bekannt ist und den Spitznamen FARFAROUT trägt, schließt sich das Flex Ensemble mit Farout Artistic Research − einer spanischen Gruppe von performativ Forschenden und Künstler*innen − für ein interdisziplinäres Kunstprojekt zusammen. FARFAROUT kombiniert Musik, Tanz und der Wissenschaft der Astronomie ebenso, wie Publikumsinteraktion und Forschungsdialog.
Aufgeführt vom hannöverschen Klavierquartett und zwei Tänzer*innen, wird das Publikum Teil einer Inszenierung, die zum Nachdenken über Konzepte wie Bewegung, Distanz, Wahrnehmung und Räumlichkeit einlädt. Neben Uraufführungen von Sergio Luque und Gordon Williamson begleiten Werke von Yūji Takahashi und Morton Feldman diese gemeinschaftliche Raumklangerforschung. Umrahmt wird die Performance von einer Einleitung des Astronomen Dr. Francisco Colomer (Direktor des JIVE-Instituts) und einem Gespräch mit allen Beteiligten, um einen tieferen Einblick in die künstlerisch-wissenschaftliche Idee hinter FARFAROUT zu ermöglichen.
Farout Artistic Research
Dr. Beatriz Pomés Jiménez
Dr. Sef Hermans
Dr. Igor Saenz Abarzuza
Flex Ensemble
Kana Sugimura (Violine)
Anna Szulc (Viola)
Martha Bijlsma (Cello)
Johannes Nies (Klavier)
Emilia Benítez (Choreografie)
Pedro Hurtado (Tanz)
Dr. Francisco Colomer (Lesung)
Programm:
Einleitung : „The Universe at SCALE“
Dr. Francisco Colomer
(Deutsche Übersetzung ist hier >>)
Morton Feldman
“Four Instruments” (1975)
Yūji Takahashi
“seonhwa” für Violine (2005)
Snezana Nesic
“Solnce Odno” für Streichtrio (2004/2007)
Sergio Luque
“We´ll Never Know” für Klavierquartett (UA)
Gordon Williamson
“Slide Show” für Cello Solo (UA)
Gordon Williamson
“Couverture“ für Klavierquartett (2020)
Gespräch mit allen Beteiligten und dem Publikum
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Biografien:
FLEX ENSEMBLE
Das Klavierquartett Flex Ensemble zeichnet sich durch hohe musikalische Qualität seiner Interpretationen und große Spielfreude aus. Das Ensemble sucht ständig nach neuen Wegen der Vermittlung zwischen Musik, Musikern und Publikum. Das Flex Ensemble ist Gründer und künstlerischer Leiter des seit 2014 jährlich stattfindenden Chamber Music Fest Rheinhessen, und seit 2016 organisiert das Ensemble zudem seine eigene Konzertreihe unter dem Motto „imPULS“.
Die Programme schließen Weltpremieren u.a. von Márton Illés und Gérard Pesson ein. Das Quartett arbeitet mit renommierten Künstlern wie Wolfgang Güttler, Oliver Wille und Albrecht Mayer zusammen, um nur einige zu nennen.
Mit internationalen Auszeichnungen hat sich das Flex Ensemble als eines der dynamischsten Ensembles seiner Generation etabliert (Internationaler Schumann Kammermusikpreis Frankfurt: 1. Preis und Sonderpreis, Gianni Bergamo Classic Music Award Lugano: 1. Preis). Es folgten Preise beim Internationalen Kammermusikwettbewerb Kiejstut Bacewicz in Łódź und beim Premio Trio di Trieste.
Das Quartett trat in Konzertsälen wie dem Concertgebouw Amsterdam, der Alten Oper Frankfurt, dem Beijing Performing Arts Center sowie bei Festivals wie den Sommerlichen Musiktagen Hitzacker und dem Heidelberger Frühling auf. Viele Konzerte sind vom SWR, NDR Kultur und Radio 4 live übertragen worden. 2014 hat das Klavierquartett sein CD-Debüt “The Arrival of Night” beim GENUIN Classics veröffentlicht. 2019 folgte die Einspielung „Au Suivant“ und 2020 ihr jüngstes Album „Inside Eroica“ beim Label Avi in Kooperation mit Deutschlandfunk Kultur erschienen.
Farout Artistic Research ist eine Gruppe von performativen Forschenden und Künstler*innen, die von Dr. Beatriz Pomés Jiménez, Dr. Sef Hermans (beide: Universidad de Navarra, Universidad Internacional de La Rioja, Instituto Cultura y Sociedad) und Dr. Igor Saenz Abarzuza (Universidad Pública de Navarra) gegründet wurde.
Das Kollektiv konzipiert, gestaltet und entwickelt multidisziplinäre künstlerische Projekte, die als Treffpunkt für andere Wissensbereiche dienen. Es verknüpft Forschung, Wissenschaft, Philosophie,
Partizipations-, Bildungs- und Reflexionskonzepte mit weiteren Bereichen künstlerischer Praxis.
Dr. Francisco Colomer ist Direktor von JIVE, dem Joint Institute for VLBI ERIC, einer europäischen Forschungsinfrastruktur, die von ASTRON/NWO in Dwingeloo (Niederlande) betrieben wird. Colomer promovierte in Astrophysik an der Chalmers University of Technology (Schweden) über die Untersuchung von kosmischen Masern in ausgedehnten Atmosphären entwickelter Sterne und hat einen MBA-Abschluss in „Management von Forschungsinfrastrukturen“ der Universität Mailand-Bicocca (Italien). Er ist ständiger Mitarbeiter des Nationalen Astronomischen Observatoriums in Spanien. Im Laufe seiner Karriere hat er an mehr als 100 wissenschaftlichen Arbeiten, zahlreichen Konferenzen und Workshops, internationalen Projekten (die auch durch Programme der Europäischen Kommission finanziert werden) und Outreach-Aktivitäten teilgenommen. Colomer verteidigt die wissenschaftliche Grundlagenforschung als Kulturgut unserer Gesellschaft, dessen Ergebnisse und Prozesse angemessen kommuniziert werden müssen, damit Politik und Entscheidungen auf Fakten und Wissen beruhen. Er ist derzeit Vorsitzender der Global VLBI Alliance und des ERIC-Forums.
Emilia Benítez ist eine ecuadorianische Tänzerin und Choreographin, die an der Kunstfakultät der Universität von Chile den Abschluss als höhere Dolmetscherin erwarb. Im Laufe ihrer Karriere tanzte sie als Solotänzerin der Nationalen Tanzkompanie von Ecuador, war festes Mitglied des Ecuadorianischen Kammerballetts, der Unabhängigen Tanzfront, des französisch-ecuadorianischen Kollektivs Parallel Zero und Gasttänzerin des Nationalen Balletts von Chile.
Pedro Hurtado-Gómez wurde 1978 in Guayaquil, Ecuador, geboren. Er studierte Klavier am Rimsky Korsakov Konservatorium in Guayaquil und machte 2001 seinen Bachelor of Music in Klavier und Kammermusik bei Reinaldo Cañizares. Er studierte Tanz an der Seite von Nathalie Elghoul, Rivadeneira Fredy, u.a. Später wurde er Mitglied der zeitgenössischen Tanzgruppe DANZA SUR des Kulturzentrums SARAO, der Flamenco-Tanztheatergruppe EPTEA und des Balletts des Teatro Centro de Arte in der Stadt Guayaquil, wo er seine Techniken in klassischem, zeitgenössischem und Flamenco-Tanz verstärkte und eine reiche Bühnenerfahrung entwickelte.
Dr. Sergio Luque (Mexiko-Stadt, 1976) ist Komponist von Gesangs-, Instrumental- und elektroakustischer Musik und Forscher im Bereich „Computer Music“. Er lebt in Madrid, wo er den Masterstudiengang für elektroakustische Komposition und neue Medien am Katarina Gurska Superior Center leitet und unterrichtet und arbeitet als Gastprofessor am Königlichen Konservatorium in Den Haag.
Dr. Gordon Williamson (geb. 1974 in Ottawa) ist ein kanadischer Komponist, der in Hannover lebt. Zahlreiche internationale Ensembles, u.a. das RSO Stuttgart, die Neue Vocalsolisten, das Sonar Quartett oder Ensemble Contemporain de Montréal, haben seine Werke bei Festivals wie ECLAT, KLANG, Beijing Modern Music Festival oder ISCM (ur)aufgeführt. Er erhielt u.a. Stipendien der Casa Baldi (Deutsche Akademie Rom), Centre Récollets (Paris), Künstlerhof Schreyahn und Styria A.I.R. (Graz) sowie Preise und Kompositionsaufträge von SWR, CBC/Radio-Canada, das Canada Council for the Arts und die Ernst von Siemens Musikstiftung. Seit 2010 lehrt Williamson Komposition an der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover und seit 2015 leitet er das Institut für Neue Musik Incontri im Rahmen einer Gastprofessur dort.
The Universe at SCALE von Francisco Colomer
Zusammenfassung in deutscher Übersetzung
How fast do I travel when I sit still? / Wie schnell bin ich unterwegs, wenn ich stillsitze?
Im Universum sind die Maßstäbe „astronomisch“. Wir sitzen auf einem winzigen Felsplaneten, unserer Erde, die einen Zwergstern, unsere Sonne, umkreist, der sich mit 800.000 km/h um das Zentrum einer Galaxie, unserer Milchstraße, dreht. Ohne es zu merken.
Unsere Galaxie ist eine von 100.000 Millionen Galaxien im Universum. Unser Stern ist einer von 100.000 Millionen Sternen in unserer Galaxie. Die Zahlen sind groß, und das gilt auch für Raum und Zeit. Bei Lichtgeschwindigkeit würden wir den Mond in 1 Sekunde erreichen, die Sonne in 8 Minuten, Neptun in 5 Stunden, den nächsten Stern (Proxima Centauri) in 4 Jahren, die Grenze unserer Galaxie in 200.000 Jahren und die nächste Galaxie (Andromeda) in 2 Millionen Jahren. Das bekannte Universum dehnt sich auf 13.750 Millionen Lichtjahre aus, Zahlen, die sich unserem Verständnis entziehen.
Der Kosmische Kalender hilft, diese astronomischen Größen in einen Kontext zu stellen. Wir skalieren das Alter des Universums auf ein Kalenderjahr. Der Anfang, ein Urknall, findet am 1. Januar statt. Die ersten Galaxien erscheinen im März. Unsere Milchstraße bildet sich im Mai. Die Sonne und ihre Planeten, einschließlich unserer Erde, im September. Das Leben auf der Erde erscheint im Oktober. Die ersten Tiere Mitte Dezember. Und die Menschen erst in der letzten Stunde am 31. Dezember.
In den Weiten von Raum und Zeit erscheinen wir unbedeutend. Aber aufgrund der Unwahrscheinlichkeit unserer Existenz sind wir einzigartig, besonders und es wert, uns um uns selbst und unseren Planeten zu kümmern!
Text während der Performance:
TEIL 1
Im Weltraum, wo es kein Medium gibt, in dem sich der Schall ausbreiten kann, gibt es keinen Schall. Nur Stille.
Das Universum dehnt sich ständig aus, die Entfernungen zwischen den Galaxien werden größer.
„Die Raumzeit sagt der Materie, wie sie sich bewegt, die Materie sagt der Raumzeit, wie sie sich krümmt.“
Ohne eine Referenz ist es unmöglich zu wissen, ob wir uns mit einer konstanten Geschwindigkeit bewegen.
Wir sind scheinbar stationär, aber in Wirklichkeit umkreisen wir die Milchstraße mit 800.000 km pro Stunde.
Wir bemerken nichts, weil wir nicht die Geschwindigkeit, sondern die Beschleunigung bemerken.
TEIL 2
Sterne und Planeten brauchen Milliarden von Jahren, um sich zu bilden und zu verschwinden. Wie wissen wir, was wir wissen?
Es ist möglich, die chemische Zusammensetzung von Objekten im Kosmos herauszufinden, indem man das Spektrum elektromagnetischer Wellen untersucht, die wir von ihnen empfangen.
Jedes Molekül, jedes Atom wird durch sein elektromagnetisches Spektrum, seinen „Fingerabdruck“ identifiziert
Das Studium anderer Planeten hilft uns, unseren eigenen zu verstehen. Das Studium der Venus legt nahe, wie die Erde aussehen könnte, wenn der Klimawandel Amok läuft.
TEIL 3
Außerhalb unseres Planeten wurde kein Lebenszeichen gefunden.
100 Milliarden Galaxien mit 100 Milliarden Sternen, jede mit Planeten.
Etwa 5.000 Planeten wurden bereits gefunden, die andere Sterne umkreisen.
Der Weltraum ist riesig: Alle Planeten des Sonnensystems würden zusammengenommen in die Entfernung zwischen Erde und Mond passen.
Es dauert 4 Jahre, um die Lichtgeschwindigkeit von der Sonne bis zum ersten Stern zu erreichen, und 2 Millionen Jahre, um die erste Galaxie (Andromeda) zu erreichen.
Allein in unserem Sonnensystem gibt es 8 Planeten, etwa 800 kleinere Körper und mehr als 500.000 andere Objekte (z. B. Asteroiden).
Der Planetoid Farfarout ist mit 20.000 Millionen km dreimal weiter entfernt als Pluto und umkreist die Sonne alle 700 Jahre. (Seine Größe ist unbekannt, es könnte einen Durchmesser von etwa 500 km haben.)
Vielleicht sind wir nicht allein, aber aufgrund der Unermesslichkeit von Raum und Zeit sind wir isoliert.
Wir sind „Sternenstaub“, die Atome unseres Körpers sind dort entstanden.
Wenn wir im Kosmischen Kalender das Alter des Universums als Jahr darstellen, erscheinen wir Menschen am 31. Dezember um 22:30 Uhr.
Alles Leben, das wir im Universum kennen, befindet sich in einer dünnen Schicht von wenigen Kilometern, die die Erde umgibt.
In der Weite des Universums erscheinen wir unbedeutend, aber in Wirklichkeit sind wir, vielleicht aufgrund der Unwahrscheinlichkeit unserer Existenz, einzigartig. Besonders.
Die Konzerte sind Teil der Reihe imPULS des Flex Ensemble
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